Linden galten schon in frühester Zeit als heilig oder auch „Wahrbäume“, unter denen daher oft Recht gesprochen wurde. Auch unter der Linde auf dem Kalkarer Marktplatz wurde zunächst unter freiem Himmel und in aller Öffentlichkeit Gericht gehalten. Die Gerichtsstätte musste kenntlich gemacht werden; vor jeder Gerichtsverhandlung wurde eine „Umfriedung“ geschaffen, um den Lärm des Alltagsgeschehens auszuschließen und Frieden im Gerichtskreis zu schaffen. Dies machte man zunächst mit Seil und Pflöcken. Später lebte die uralte Sitte in der gevierten Aufstellung der Sitzbänke wieder auf.
Allmählich verlagerte sich der Gerichtsort von der Linde zu einer an das Rathaus angebauten Laube und später in die Schöffenkammer des Rathauses.
Ab dem 17. Jahrhundert diente die Linde nur noch als Schmuckstück für den Markt.
1959 wurde deutlich, dass der Baum von der Spitze her verdorrte und abstarb. Nach langwierigen Überlegungen, die auch ein Fällen des Baumes nicht ausschlossen, wurde er 1972 umfassend baumchirurgisch behandelt und saniert. Er ist gesundet, und es ist inzwischen selbstverständlich geworden, dieses über 470 Jahre alte Kultur- und Naturdenkmal regelmäßig zu kontrollieren.
Ausschnitt aus dem Rechnungsbuch von 1545 (Stadtarchiv Kalkar R 7) mit den Ausgaben zum Transport der Linde von Qualburg nach Kalkar und den Kosten für das Einsetzen des Baumes auf dem Marktplatz.
Ausschnitt aus dem Vogelschauplan Kalkar im Städtebuch von Braun und Hogenberg, 1575, koloriert. Man erkennt die Umfriedung um die Gerichtslinde.
Arnould ter Himpel, t' stad huis tot Kalcker, Zeichnung, 1656. Die Linde dient nicht mehr als Gerichtslinde, sondern ist schmückendes Element auf dem Marktplatz.
Linde, Ansichtskarte von Kalkar ca. 1920. Man kann kaum noch den etagenartigen Schnitt des Baumes erkennen.
Rathaus und Marktplatz, ca. 1966. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Linde von der Spitze her verdorrt.